Kapitalbezug unter Beschuss: Worauf man achten sollte

Höhere Steuern, unsichere Planungsgrundlagen: Wer sein Altersguthaben als Kapital beziehen will, dürfte in Zukunft tiefer in die Tasche greifen müssen. Ein Überblick.

Was geplant ist

Der Bundesrat prüft derzeit eine Reform, die Kapitalbezüge aus der beruflichen und privaten Vorsorge stärker besteuern würde. Konkret sollen Kapitalauszahlungen (2. und 3. Säule) einer Rente gleichgestellt werden, was zu einer deutlich höheren Steuerprogression führen könnte. Das bedeutet für Privatpersonen: Wer über Jahrzehnte gespart hat und plant, sein Guthaben als Einmalbetrag zu beziehen, sollte sich auf eine höhere Abgabe einstellen – vor allem wenn der eigene Wohnkanton ebenfalls die Steuertarife nach oben korrigiert.

Beispiel: Familie Meier aus Bern

Nehmen wir an, Frau Meier (63) hat 500’000 Franken in ihrer Pensionskasse angespart. Bisher wurden Kapitalbezüge zu einem reduzierten Satz versteuert; je nach persönlicher Situation fielen rund 38’000 bis 42’000 Franken Steuern an. Mit dem vorgeschlagenen Systemwechsel könnte sich diese Summe auf über 50’000 Franken erhöhen, da das Kapital rechnerisch in eine Jahresrente umgewandelt und anschliessend zusammen mit dem übrigen Einkommen versteuert würde. Für Frau Meier ist das ein spürbarer Unterschied, zumal ihr Hauskredit noch nicht vollständig beglichen ist. Sie müsste ihre gesamte Finanzplanung neu überdenken.

Was das für Sie bedeutet

Planungsanpassung: Höhere Steuern können die Vorteile eines Kapitalbezugs schmälern. Wer bisher auf ein gewisses Polster setzte, um z. B. Schulden abzubauen oder einen frühen Ruhestand zu finanzieren, könnte ins Grübeln kommen.

Flexibilität versus Sicherheit: Eine Rente zahlt lebenslang, dafür fällt das Kapital beim Tod oft an die Pensionskasse zurück. Kapitalbezüge hingegen bieten mehr Gestaltungsfreiheit, dafür sind sie steuerlich nun stärker unter Druck.

Frühe Beratung lohnt sich: Ob Sie kurz vor der Pensionierung stehen oder noch Zeit haben – ein Gespräch mit einem Vorsorgeexperten hilft, Ihre Steuersituation korrekt einzuschätzen und alternative Strategien zu prüfen.

Was im Parlament passiert

Die Vorlage ist Teil eines grösseren Sparpakets, das den Bundeshaushalt entlasten soll. Aktuell befindet sich das Projekt in der Vernehmlassung, in der Parteien, Verbände und Interessengruppen ihre Stellungnahmen einreichen. Ob es tatsächlich zur Umsetzung kommt, liegt letztlich in den Händen des Parlaments. Sollte dieses grünes Licht geben, ist ein Referendum nicht auszuschliessen.

Referendum in Sicht?

Gegner der Reform betonen, dass sie das verfassungsmässige Recht nutzen könnten, eine Volksabstimmung zu verlangen, sollten die Pläne in dieser Form umgesetzt werden. Vorherige Abstimmungen zu Pensionskassen- und AHV-Themen haben gezeigt, wie umkämpft Vorsorgefragen sind – das letzte Wort in dieser Sache ist also noch nicht gesprochen.

Was nun?

Wer kurz vor der Pensionierung steht oder sich über die beste Strategie für sein Altersguthaben Gedanken macht, sollte jetzt handeln. Mit Steuerexperten sprechen, eigene Finanzziele überdenken und die Vernehmlassungsvorlage im Blick behalten – so lassen sich Überraschungen vermeiden. Die geplante Reform könnte den Kapitalbezug insbesondere für den Mittelstand kräftig verteuern und damit die Rente wieder stärker ins Spiel bringen. Die Altersvorsorge dürfte in den nächsten Monaten und Jahren einmal mehr für hitzige Diskussionen sorgen – und Ihre Vorsorgeplanung sollte darauf vorbereitet sein.

Spannende Links zum Thema

Höhere Steuern beim Bezug von Vorsorgegeldern (NZZ, bezahlpflichtig)
Der Bundesrat sägt an der 2. und 3. Säule (Beobachter)
Der Trend zum Kapitalbezug bei der Pensionskasse (SRF Trend)

Über den Autor

Alexander Lehmann ist Head of Products & Advisory der Finpact AG und Mitglied der Geschäftsleitung. Er bringt 10+ Jahre Erfahrung im Bereich Wealth Management, Digitalisierung, Agile Arbeitsmethoden und Vertrieb mit. Zuletzt arbeitete Alexander Lehmann im Wealth Management der Deutschen Bank wo er unter anderem als Business Developer für Russland und Osteuropa und als Regional Change Lead EMEA tätig war. Er hält einen Master in Banking & Finance der Universität St. Gallen so wie ein CAS in Big Data Analytics & Blockchain der ZHAW.